Alpenbrevet Rennbericht



Donnerstag, kurz vor 17 Uhr. 

Gemeinsam mit Bernd und Micha mache ich mich auf den Weg in die Schweiz, genauer gesagt nach Meiringen in der Nähe von Interlaken. Unsere drei Rennräder haben es sich im hinteren Teil des VW Caddy gemütlich gemacht, während wir voller Erwartung in Richtung Süden reisen. Einige Stunden später, es ist schon fast 1 Uhr, kommen wir über den Brünigpass nach Brienzwiler, wo unsere Unterkunft auf einem Bauernhof mit angrenzendem Reiterhof liegt.

Unsere Unterkunft in Brienzwiler

Am nächsten Morgen wurden wir beim Blick aus dem Fenster mit Sonnenschein und Bergpanorama belohnt. So könnte es bleiben... Den Vormittag nutzten wir für eine kleine PKW-Ausfahrt zum Grimselpass, den wir am Samstag mit dem Rad befahren sollten. Wegen leichter Ungenauigkeit bei der Tankanzeige brachen wir diese Tour allerdings auf der Hälfte des Passes ab und beschlossen, die nahe gelegene Aareschlucht zu durchwandern. Sehr sehenswert!

In der Aareschlucht

Direkt nach dem Kulturprogramm sind wir in Meiringen zur Ausgabe der Startunterlagen gefahren. Alles war gut organisiert, so dass wir am Nachmittag noch eine kleine Runde mit den Rennrädern am Brienzer See entlang fahren konnten. Eine landschaftlich schöne Strecke führte uns ein ganzes Stück am See entlang und wieder zurück. 

Einrollen entlang des Brienzer Sees

Es folgte ein ausgiebiges Bad im eigenen Swimmingpool bevor wir begannen, die Räder und die Ausrüstung für den morgigen Tag vorzubereiten. Es wurde geputzt, geölt, die Startnummern angebracht, Trinkflaschen gefüllt, Riegel und Gels eingepackt und Radklamotten für das zu erwartende frischer werdende Klima bereitgelegt.

Materialpflege und Vorbereitung für das Rennen
Es kann losgehen!

Samstag, kurz vor 5 Uhr.

Nicht ganz ausgeruht dank einiger Mücken im Zimmer ging es in Radbekleidung und mit den Rädern zum Frühstück auf dem Reiterhof bei völliger Dunkelheit. Da in der Schweiz Licht vorgeschrieben ist, fanden wir trotzdem unseren Weg dorthin und begaben uns danach auf die 10 km lange Anfahrt zum Start. Es ging einige Serpentinen hinab, dann quer über einen Militärflughafen (!) und flach weiter bis nach Meiringen. Dort reihten wir uns ca. eine halbe Stunde vor dem Start in den Startblock ein und setzen uns gemeinsam mit 2497 anderen Radlern pünktlich um 6:45 Uhr in Bewegung. 

Wenige Minuten vor dem Start
Über einen kleinen Berg hinüber, ging es noch wenige Kilometer flach ins Tal bevor dann der 26 km lange Anstieg zum Grimselpass begann. Es rollte gut, die Beine fühlten sich auch gut an. Lediglich das Wetter zeigte sich von der ungemütlichen Seite. Bei gerade noch 9 Grad wurde es immer nebliger, bis man auf der Passhöhe kaum mehr etwas erkennen konnte. Schon im Anstieg hatte ich mich entschieden, statt der Gold- lieber die Silberstrecke in Angriff zu nehmen. Ankommen ist für mich das oberste Ziel, und so hatte ich wenig Lust, mich im drohenden Regen über drei weitere Pässe zu quälen. Da entschied ich mich lieber für zwei...

Bernd und Micha wählten die Mission Gold und so trennten sich unsere Wege. Wenige Serpentinen Abfahrt später begann für mich der Aufstieg zum sehr schönen Furkapass, dessen Passhöhe ich sogar bei einigen Sonnenstrahlen ca. 2 Stunden später erreichte. 

Sonnenstrahlen auf dem Furkapass


Über den kleinen Ort Realp ging es weiter bis nach Andermatt, wo in einer zeitneutralisierten Zone eine Verpflegungsstelle aufgebaut war. Die nachfolgende Abfahrt durch die Schöllenenschlucht war aufgrund von vielen Baustellen nicht in der Wertung, so dass dort kein Rennen stattfand. Erst direkt im Anstieg zum Sustenpass in Wassen lief die Zeit wieder. Und zwar gegen mich... Hätte ich gewusst, dass ich die nächsten 3 Stunden bergauf fahre, dann...

Die ersten 5 Kilometer (von insgesamt 17...) liefen perfekt. Ich fand ein gutes Hinterrad eines Fahrers aus Berlin, der mit konstantem Tempo von 11 km/h den Berg hoch fuhr. Erst nach diesen 5 Kilometern merkte ich, dass sich immer wieder eine kleine Lücke auftat, die ich irgendwann einfach nicht mehr schließen konnte. Es sei allerdings erwähnt, dass ich meinen Begleiter noch ein ganzes Stück unterhalb der Passhöhe wieder einholte...
Mit teilweise nur noch 6 km/h und unglaublich langsamer Trittfrequenz von 45 U/min fuhr oder besser kroch ich bergan. Zu allem Übel fing es stärker an zu regnen. Und kalt war es, neblig und trüb. Kilometer für Kilometer ging es weiter bis ich auf einmal von einem Fahrer auf einem Bianchi überholt wurde. Kurzer Zwischensprint! Es war Stefan, den ich auf der letztjährigen Transalp kennengelernt hatte. Wir verabredeten uns für die Passhöhe und trafen uns dort bei knapp 0 Grad und Regen. Kurz vorher durchfuhr man direkt am Grat einen Tunnel, der die Radler mit frostigem Wind empfing. Gemeinsam hatten wir die eisige Abfahrt vom Passo Tonale in Erinnerung und hofften, dass es nicht schlimmer wird. Aber es wurde schlimmer! Nach dem Anziehen aller mir zur Verfügung stehenden Kleidungsstücke folgte eine nicht enden wollende Abfahrt im Dauerregen bei Eiseskälte und einer Sichtweite, die man als solche nicht mehr bezeichnen kann. Ich suchte mir irgendwo im Nirgendwo ein schales Rücklicht eines voraus rollenden Radlers und folgte diesem Licht – hoffend, dass dieser dem Straßenverlauf folgt! Mein LOOK fing solidarisch mit mir an zu zittern bis wir endlich aus dem Nebel herauskamen und ins Tal sausten.

Raus aus den Regensachen und fertig machen für den Zieleinlauf! Ich erwischte eine kleine Gruppe von drei Fahrern, mit denen ich mich gemeinsam auf den Weg zum Ziel machte. Es ist immer wieder erstaunlich, welche Kräfte man noch frei setzen kann, wenn das Ziel vor Augen ist. Denn die letzten drei Serpentinen wurden mit ca. 20 km/h in Angriff genommen und selbst ein Zielsprint durfte es dann schon sein!

Geschafft und glücklich erreicht ich nach einer Nettofahrzeit von 07:58 Stunden das Ziel. Stefan und sein Partner vom Team BianchiStore.de warteten im Ziel und so tauschten wir einige Rennerlebnisse von diesem und letztem Jahr aus.

Glücklich im Ziel

Ich mit Christoph und Stefan vom Team BianchiStore.de
Gestärkt von einer Portion Pasta wartete ich auf Bernd und Micha, die dann 2 Stunden, 40 Kilometer und 2000 Höhenmeter später ins Ziel kamen. Hut ab!

Für den verbleibenden Rückweg zu unserer Unterkunft spendete ich nun etwas Windschatten und einige Höhenmeter später kamen wir erschöpft an.
Schon wenige Stunden nach dem Rennen, obwohl die Anstrengung noch in den Knochen saß, konnte ich mir schon wieder vorstellen die nächste Alpentour in Angriff zu nehmen. Das beschreibt die Faszination des Rennradsports wohl am besten...

Fazit: Ein tolles Rennen mit perfekter Organisation. Was könnte man denn mal für die nächste Saison planen...

Weitere Fotos vom Alpenbrevet gibt es hier: https://www.alphafoto.com/images.php?runID=550&sn=1784

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